Latte Ledro

Lauras Wahl

Du wirst feststellen, dass die Verkostung von verarbeiteter Rohmilch zu einem echten Gefühl werden kann, so intensiv wie die Reise, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einer Familie unternommen wurde, die nie aufgegeben hat. Und das Ergebnis ist die temperamentvolle, freimütige, unermüdliche Laura.  

Eine junge Frau voller Ideen. Man trifft sie jeden Tag auf dem Hof, an der Käsetheke oder bei ihren Tieren: Kühe, Schweine und Pferden, die alle einen Namen haben. Zuvor und danach beliefert sie persönlich die besten Restaurants des Tals bis hin zum Gardasee. 

Man ist begeistert von ihren Erzählungen über die Liebe, den Respekt und die Hingabe zu Vater Ermanno, dem Käsekünstler, und zu Mutter Cristina, aber auch schon vorher zu ihren Großeltern, die sie dazu brachten, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, und zwar von Herzen. Von einer Karriere in einem multinationalen Unternehmen bis zu der Entscheidung im Jahr 2014, im Alter von nur 24 Jahren, den Familienbetrieb von einem Milchlieferanten in ein unabhängiges Unternehmen umzuwandeln.  

Sie ist diejenige, die es geschafft hat, die Produktion und den Verkauf ihrer Produkte in den letzten fünf Jahren um 240% zu steigern, nachdem sie einige Monate auf einer amerikanischen Ranch verbracht hat, die ihr den nötigen Abstand zum Nachdenken und zum Auftanken gegeben hat. Wenn du sie kennst, verstehst du warum. Aber das Lob muss mit allen Familienmitgliedern geteilt werden, und mit Nicolò, dem jungen Käser, denn er hat ein Motto, das tief in ihm eingeprägt ist: „Der Wolf ist die Stärke des Rudels und das Rudel ist die Stärke des Wolfs.“ 

Lauras Werte

„Bei mir zu Hause gab es immer Schulden. Ich habe immer von Schulden gehört, aber mein Vater“, schwärmt Laura, „hat immer gesagt: Solange Essen auf dem Tisch steht, geht es uns gut. Schulden zahlen sich von selbst, und wenn kein Geld da ist, verkaufen wir, was wir haben. Er lächelt immer und das ist seine Philosophie, ein Lebensmotto.“ 

Laura hätte gerne am Landwirtschaftsinstitut in San Michele all'Adige studiert, aber das war teuer und sie hätte aufgrund der Entfernung nach Hause eine Wohnung bezahlen müssen, also entschied sie sich für etwas, das sich noch als nützlich erweisen könnte, damit es der Familie besser geht. Sie besuchte die höhere Handelsschule und führte ab ihrem 15. Lebensjahr die Haushalts- und Stallbuchhaltung. Nach ihrem Abschluss machte sie sich einen Namen als Verwaltungsangestellte und später als Verantwortliche für Einkauf und Logistik in einem großen Metallverarbeitungsunternehmen in Trient.  

Latte Ledro hat seinen Sitz in dem Haus außerhalb des Dorfs, in dem die Eltern von Papa Ermanno, der bereits als Kind mollig war und daher Fic (vom italienischen fico „Feige“) genannt wurde, schon als Kind lebten. Lauras Büro befindet sich in der alten Scheune, in der die Familie zu Beginn des letzten Jahrhunderts vier Kühe zur Selbstversorgung hielt. 

„Schade, dass du meine Großmutter nicht gekannt hast. Sie hatte drei Söhne, und als der Bruder ihres Mannes, der vier Kinder hatte, starb, zog meine Großmutter ihre drei Söhne groß und unterstützte daneben auch noch ihre Schwägerin. Sie hatte nichts, aber für jeden, der vorbeikam, gab es immer einen Platz am Tisch. Sie ging Tag und Nacht putzen, nähte, ging auf die Felder, sie tat alles, um die Familie durchzubringen. Sie hatte die Kraft von drei Männern, wenn man sie arbeiten sah... mit Männern aufgewachsen, musste sie mehr ihren Mann stehen als diese. Das sagen mir immer alle: Laura, du machst ihnen Angst, wenn sie dich sehen...“ 

Im Übrigen gibt es in der Tierzucht immer Arbeit. Samstag, Sonntag, Weihnachten, Sommerferien, die Kühe müssen versorgt und zweimal am Tag gemolken werden. Und die Milch muss gleich nach dem Melken frisch verarbeitet werden.  

Lauras Käsesorten

Die Käse von Fic stammen aus der Milch von etwa 80 Kühen der Rassen Braunvieh, Holstein-Friesian, Jersey und Fleckvieh. Jede Kuh produziert eine bestimmte Milchqualität, die je nach Art des zu produzierenden Käses magerer, fetter oder proteinreicher ist. Die gesamte Milch wird roh verarbeitet, ohne Pasteurisierung, was ihr eine volle, cremige Textur verleiht, die in jeder Reifestufe den Mund füllt, darin zerfließt und das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Und sie bewahrt den Duft von Gras und Heu, ein Aroma, das schwer zu vergessen ist, und das bei jeder Art von Käseherstellung mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden ist. 

Die Käsesorten, etwa ein Dutzend plus Butter, haben ihren Namen von den Wiesen oberhalb des Hofes, wo die Tiere im Sommer auf höher gelegene Weiden getrieben werden. Das verwendete Lab ist natürliches Kälberlab, die Fermente werden von Cristinas Mutter selbst hergestellt und die Formen werden gewissenhaft in einem Gewölbe aufbewahrt, wo sie jede Woche von Ermannos geschickten Händen persönlich geölt werden. Hände, deren Anblick begeistert, die die Temperatur des Kessels erkennen, noch bevor sie überprüft wurde, die sich bewegen und Formen schneiden mit dem Lächeln eines Anfängers, der seit 60 Jahren die gleichen Gesten wiederholt. 

Und dann ist da noch der Geruch des Heus auf dem Hof, des Heus, das für den Stall gepresst wird, des Heus von den grünen Wiesen auf den Bergen, das selbst nach dem Trocknen noch die grüne Farbe der Lärchen beibehält und einen so intensiven und süßen Duft hat, dass man darin baden möchte.  

Und die Butter heißt Geometra, nach dem höchsten Gipfel des Tals. Der Weichkäse Caciotta heißt Croina, wie die Weide, von der er stammt. Coloer sind die gewürzten Caciotta mit Schnittlauch, Thymian, Bärlauch und Chili. Sie tragen den Namen eines versteckten Paradieses, das seit 1990 von der Familie Oradini betrieben wird. Und so geht es weiter mit Käsesorten für den Grill bis hin zu den beiden gereiften Käsesorten, die die Namen der wertvollsten Weiden tragen, Vies und Candria. 

Lauras Projekte

Während sie in ihrem Kopf alles durchgeht, was der Hof braucht, vom Traktor bis zu den Körben, von den Gesundheitszeugnissen bis zu den Bestellungen, findet Laura Zeit, die Kunden, die sich mit ihren Produkten eindecken wollen, zu den Ställen und zu den Kälbern zu führen und sie vor dem Kauf zu einer geführten Verkostung zu begleiten. 

„Ich mache keine langfristigen Pläne, weil ich ständig Tag für Tag plane. Ich hatte die Idee, meinem Vater und meiner Mutter mehr Freizeit zu geben, aber gleichzeitig ist mir klar, dass es umso mehr zu tun gibt, je mehr ich arbeite, so dass ich sie ständig arbeiten sehe. Aber ich habe es geschafft, eine Wende herbeizuführen, die Bilanzen auszugleichen und die Menschen dazu zu bringen, den Wert von Produkten zu erkennen, die als herausragend anerkannt sind.“ 

Aber Laura hat Pläne, und zwar viele, und sie erzählt davon, als hätte sie sie bereits verwirklicht, immer mit Blick in die Zukunft. Mit ihren beiden Pferden ist sie Reitbegleiterin und Ponytrainerin. Sie lehrt nicht das Galoppieren, sondern die Liebe und das Verantwortungsgefühl für das Leben des Tieres. Sie hat eine Ausbildung zur Imkerin gemacht, um die Bienenstöcke ihres Onkels weiterzuführen und um als Verkosterin immer mehr über die Kombination von Käse und Honig erzählen zu können, damit man die Kombination der vier vorherrschenden Geschmacksnuancen von Käse, süß, salzig, sauer und bitter, erkennen kann. Und wenn die bittere und die salzige Nuance überwiegen, erklärt sie dir, dass etwas falsch gelaufen ist. Und dann das Museumsprojekt, im dem das Leben der Menschen anhand von Werkzeugen und privaten Fotografien erzählt wird, die ihr von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wurden.  

„Ich mag Geschichte, weil mich alte Fotos begeistern, Fotos aus dem wirklichen Leben. In all diesen Fotos gibt es eine schöne Sache: alle lächeln. Ihr Leben ist mühevoll, aber es ist ein echtes Lächeln, sie sind mit Erde beschmutzt, aber die Kinder haben diese Gesichter, ein so schönes Lächeln, nicht wie die Selfies von heute. Heute haben wir viele Fotos, aber wir haben keine Erinnerungen. Dort gab es nur wenige Fotos, aber viele Erinnerungen, die in dein Innerstes eindringen.“ 

Nach Bezzecca im Val di Ledro gelangt man zu Fuß oder mit dem Auto. Hier hast du die Möglichkeit, etwas über die Milch und ihre Geschichte im Tal zu erfahren. Wenn du Laura triffst, schau ihr in die Augen und halte ihren Blick. Sie könnte dich begeistern.