Pflücken, sammeln, ernten, lesen ...
Herbstfrüchte des Trentino
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Jede Region hat ihre Früchte und jede Frucht hat ihre Saison. Im Trentino ist der Herbst der Höhepunkt des Jahres, die Zeit der kostbarsten Ernten.
Was früher für jede ländliche Gemeinschaft galt, gilt heute noch im Trentino: die Erntezeit ist ein offenes Fest, bei dem alle ihren Beitrag leisten. Der Anbau erfordert monatelange Pflege, aber dann lässt die Ernte wenig Zeit: wenn die Früchte reif sind, müssen sie gepflückt und gesammelt werden, bevor sie abfallen und verderben!
Im Herbst des Trentino reifen Früchte, die von Hand gepflückt werden wollen, wie es allein schon die „heroische“ Beschaffenheit der Natur und an Hängen und auf Terrassen angelegte Kulturen erfordert. Und das wiederum erfordert Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung. A propos Erfahrung, die kann man im Trentino tatsächlich machen! Vielleicht nicht überall, aber vielerorts hält das herbstliche Trentino Erlebnisse und einige Überraschungen parat.
Pflück den ersten Apfel!
Wenn es keine Äpfel gäbe, müsste man sie erfinden! Heute ist der Apfelanbau in den Tälern des Trentino weit verbreitet, aber vielleicht ist nicht allgemein bekannt, dass dies selbst in den typischsten „Apfeltälern“, dem Val di Non und dem Val di Sole, nicht immer so war.
Wo sich heute soweit das Auge reicht Apfelspaliere aneinanderreihen, wurden vor ca. zweihundert Jahren noch vor allem Wein, Maulbeeren und Roggen angebaut. Natürlich gab es auch Apfelbäume, aber die wuchsen mehr oder weniger wild in den Privatgärten einiger Herrenhäuser.
Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Ernte von der Reblaus vernichtet wurde, hatten viele Familien keine Lebensgrundlage mehr und waren zum Auswandern gezwungen. Aber dann hatte jemand eine Eingebung: wenn Äpfel wild wachsen, kann man sie doch sicher auch kultivieren?
Und die Rechnung ging auf! Das Klima und die Böden erwiesen sich als ideal, und so veränderten sich die Landschaft und die Agrarwirtschaft für immer. Das Trentino rühmt sich einer Vielzahl an Apfelsorten, die es zu entdecken gilt: am besten entlang unserer Apfel- und Genussstraße, der Strada della mela e dei Sapori del Trentino, wo man bei MelaColgo sogar miternten kann, oder indem man mit Adotta il tuo melo die Patenschaft eines Apfelbaums übernimmt, den man dann zwischen September und Oktober abpflücken darf!
Stachelige Schale, weicher Kern
Esskastanienbäume sind in unseren Bergen einheimische Bäume. Jahrhundertelang gehörten Kastanien für viele Generationen zu den Grundnahrungsmitteln und wurden auf vielfältige Weise verzehrt und zubereitet. Ein sehr nahrhaftes „Brot“, das von August bis November zur Verfügung stand, und dann getrocknet und zu Mehl verarbeitet noch monatelang verwendet werden konnte. Mit der Zeit domestizierte der Mensch die Esskastanie, und die Kulturvariante brachte die größeren, schmackhafteren Maronen hervor. Im Trentino ist die Zeit der Kastanien- und Maronen-Ernte einer der schönsten Momente des Jahres, wenn die uralten Kastanienhaine ihr gelb- und orangefarbenes Herbstkleid anlegen.
In der gesamten Region des Trentino gibt es zahlreiche Herbstfeste, die diesem „Korn“ der Berge gewidmet sind, und in vielen Kastanienwäldern kann man auf einem herrlichen Herbstspaziergang in der bunt gefärbten Natur Kastanien sammeln – vor allen in einigen Tälern, wo hochgeschätzte Sorten wachsen.
Im Val di Cembra gibt es eine autochthone Maronensorte, die in den frühen 2000er Jahren wiederentdeckte Marrone di Albiano. Früher wuchsen auf den hiesigen Porphyrböden Kastanienbäume, aber in den 1960er Jahren wurden infolge einer schweren Wirtschaftskrise hunderte alter Kastanienhaine gefällt, um Steinbrüche für den Abbau dieses Vulkangesteins zu schaffen. Als der majestätischste aller Kastanienbäume, der so genannte „König von Marigiat“ einer Ladung Dynamit zum Opfer fiel hallte der Knall wie ein Schmerzensschrei im ganzen Tal wider. Dann, vor etwa zwanzig Jahren, die Rückkehr dieser Maronen-Sorte.
Im Alto Garda, dem zum Trentino gehörenden oberen Gardasee-Gebiet, gibt es bei Campi di Riva del Garda eine rigoros biologische Kastanienkultur. Die Marrone di Campi ist eine sehr geschätzte Sorte, für deren Schutz eine besondere Spezifikation gilt, mit detaillierten Regeln für die ausschließlich per Hand durchgeführte Ernte.
Abschließend zu erwähnen sind noch die unter Schutz stehende Marrone di Castione vom Altopiano di Brentonico, und die „Podet“, eine uralte Kastaniensorte aus dem Valle del Chiese: die Bäume wachsen um den Ortsteil Riccomassimo herum.
Auf geht’s in den Weinberg…vergnügt und froh!
Im Trentino gibt mehr als 10000 Hektar Weinberge, und die Weinlese ist ein wichtiger Event, an dem hunderte von Familien und Betriebe beteiligt sind. Viele von ihnen öffnen zwischen September und Oktober die Türen, um einen Einblick in ihre Weinberge, ihre Keltereien und ihr Schaffen zu gewähren.
In der Piana Rotaliana oder im Val di Cembra zum Beispiel, zwei bedeutenden Anbaugebieten mit sehr unterschiedlicher Beschaffenheit, kann man die Lese der reifen Rappen buchstäblich zum Anfassen erleben. Egal wo man hinkommt, trifft man hier auf Reben und Weine, selbst in höheren Lagen. Mit Weinbergen, die von 200 bis auf ca. 1000 m Höhe reichen, wird das Trentino zu einem Universum des Weinbaus und der Weingüter, das sich allerdings eher in die Höhe als in die Breite ausdehnt. Und mit Kellereien, die sich getreu des ortstypischen Gemeinschaftsgeists oft als Konsortien und Genossenschaften organisiert haben.
Eine Besonderheit unseres Weinbaus ist die Erziehungsform der „Pergola Trentina“, so dass man unter einem Rebendach durchlaufen kann bei den Weinbergs-Erfahrungen entlang der Strada del Vino e dei Sapori del Trentino. Diese Form der hohen Reberziehung nutzt auch an den steilen Weinlagen die Fläche optimal aus und gewährleistet den gut exponierten Trauben einerseits viel Sonneneinstrahlung, und andererseits Schutz von zu viel Wasser, Fäulnis und Krankheiten. Diese horizontalen Kulturen erfordern eine manuelle Lese, bei der die Triebe jährlich erneuert werden.
Da kaum Mechanisierung möglich ist, ist der Arbeitsaufwand umso größer... aber die Mühe wird reichlich belohnt durch eine ständig wachsende Qualität der Produktion, Jahrgang für Jahrgang.
Oliven, Töchter des Windes
In der Umgebung des Gardasees findet im Herbst noch eine andere Ernte statt: die der Oliven, aus denen das exzellente Olivenöl mit DOP-Ursprungsbezeichnung gepresst wird, das „nördlichste“ extra native Olivenöl der Welt!
In dieser Jahreszeit kann man zusehen, wie in den ausgedehnten Olivenhainen goldgrüne Früchte heranreifen, und die Bäume erst von auf dem Boden ausgebreiteten Netzen und dann von Armen, Händen, schwitzenden aber lächelnden Gesichtern umringt werden, und monumentale Leitern bis an die oberen Zweige heranreichen.
Auf einer Fläche von 500 Hektar Land gibt es hier über 100.000 Olivenbäume, die ein goldgrünes, nach Mandeln, Artischocken und Wildkräutern schmeckendes Öl ergeben.
Wenn im Trentino seit 2000 Jahren Olivenbäume wachsen, dann ist das dem Wind zu verdanken. Vor allem zwei Winde sorgen für das besondere mediterrane Klima des Gardasees: die Ora und der Pelèr. Es sind tägliche Winde und pünktlich wie ein Uhrwerk. Der Pelèr weht ab nachts von Norden her aus den Bergen, und wird gegen Mittag von der Ora abgelöst, die am Nachmittag ständig aus südlicher Richtung weht.
Im November hat man die einmalige Gelegenheit, einen Blick in die offenen Ölmühlen der Region zu werfen, um mehr über das Pressverfahren und unser Olivenöl zu erfahren, es zu riechen und zu kosten.