Der Rosengarten: Geschichte des Bergsteigens
Die Pioniere der Dolomiten-Besteigungen und die legendäre Persönlichkeit Tita Piaz
Die Kletterpioniere sind in den Dolomiten oft Bergsteiger englischer Herkunft, aber ebenso entscheidend für den Erfolg dieser Touren ist die Rolle der einheimischen Bergführer, die mit der alpinen Umgebung vertraut sind. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sticht Giovanni Battista "Tita" Piaz hervor, der unter den Bergführern des Fassatals nicht nur wegen seiner bergsteigerischen Leistungen, sondern auch wegen der großen Persönlichkeit, die ihn auszeichnet, eine Legende geblieben ist.
In diesen Tagen feiern wir den 150. Jahrestag der Erstbesteigung des Rosengartens! Man schrieb den 31. August 1874, als der Rosengarten mit der Erstbesteigung bezwungen wurde!
Die ersten, die den Rosengarten bestiegen, waren zwei Engländer: Charles Comyns Tucker und T. H. Carson, mit Hilfe des Bergführers François Devouassoud aus Chamonix. Die Besteigung ist Teil mehrerer berühmter Erstbesteigungen der Gipfel der östlichen Dolomiten, die in jenen Jahren stattfanden. So erfolgt sie etwa nach der Besteigung des Kesselkogels durch dieselben zwei englischen Bergsteiger zusammen mit dem Bergführer Luigi Bernard aus dem Fassatal im Jahr 1872.
1875 besteigt Tucker auch den Sass Maor, in der Gruppe der Pale di San Martino, zusammen mit H.A. Beachcroft, F. Devouassoud und dem lokalen Bergführer Della Santa. Er bestieg auch als Erster, zusammen mit D.W. Freshfield, den höchsten Gipfel der Gruppe der Pale di San Martino, die Cima Vezzana, 3.192 Meter ü.d.M., im Jahr 1878.
Der Teufel der Dolomiten
Tita Piaz ist „der Teufel der Dolomiten“: zunächst ein rebellischer Student, später Anhänger der irredentistischen Bewegung, nonkonformistisch und antifaschistisch, führte er ein wahrhaft aufregendes Leben, als Kletterer und Unternehmer im Tourismus (er baute mehrere Schutzhütten und zwei Hotels) bis hin zu einer kurzen Inhaftierung, politischem Engagement und den Wechselfällen der beiden Weltkriege. Tita Piaz war ein Mann der Berge, aber auch Bürgermeister, Liebhaber des Laienspieltheaters, ein Freund von Literaten und Königen, wie König Albert I. von Belgien, und vor allem ein Erneuerer und ein freier Mensch. Deshalb haben wir unter den Berghütten des Rosengartens die Hütte ausgewählt, die Tita Piaz errichtet und seinem Freund Paul Preuss gewidmet hat.
Vintage-Fotos aus dem Buch „Il Diavolo Generoso“ von Alfredo Paluselli, 2018 – Dolomiti-Ausgaben
Die Ursprünge der Paul-Preuss-Hütte
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Rosengarten im Grunde genommen das Reich von Tita Piaz und seiner Familie. Zunächst in der Vajolet-Hütte, die seine Frau Marietta Rizzi leitete. Nach dem plötzlichen Tod von Marietta wollte Tita, der die Hütte verlassen musste, nicht aus seinem geliebten Porte Negre wegziehen. So kaufte er ein Stück Land ein paar Dutzend Meter von der Vajolet-Hütte entfernt und baute dort eine kleine Hütte.
Das ist die Geschichte hinter der Paul-Preuss-Hütte: ein Stützpunkt für Kletterer und für Titas Arbeit als Bergführer. Der traurige Tod seines Freundes und Bergsteigers Paul Preuss, der 1913 beim Klettern in Österreich abgestürzt war, veranlasste Piaz, ihm die Hütte zu widmen, deren Ausbau durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen und 1925 abgeschlossen wurde.
Eine weitere Geste, die die Großzügigkeit des Teufels der Dolomiten zeigt. So waren die Beziehungen zu Preuss nicht immer reibungslos: Berühmt war die Kontroverse zwischen Preuss und Tita über den Einsatz von Hilfsmitteln in den Bergen. Preuss war Purist und Anhänger des Freikletterns, während Piaz eine Philosophie irgendwo dazwischen vertrat, indem er z. B. Mauerhaken für den Aufstieg benutzte und die Abseiltechnik anwendete. Trotz dieser Differenzen herrschte zwischen den beiden ein tiefer Respekt und aufrichtige gegenseitige Bewunderung, und so trägt die elegante kleine Hütte, die auf dem Felsvorsprung im Rosengarten steht, bis zum heutigen Tag seinen Namen.
„... Ich habe alle menschlichen Werte des Bergsteigers mobilisiert: Kraft, Geschmeidigkeit, Jugend, Selbstachtung, Ehrgeiz...“ [Tita Piaz]
Die Schutzhütte in unserer Zeit
Die Paul-Preuss-Hütte wird noch immer von der Familie Piaz bewirtschaftet, und in ihren Mauern wird die ganze Tragweite ihrer Geschichte sorgfältig bewahrt.
Man kann sie mit einem einfachen Tagesausflug, direkt von der Gardeccia-Hütte oder von Pian Pecei (mit dem Shuttlebus bzw. dem Lift von Pera di Fassa aus erreichbar) aus erreichen.
Wer etwas Zeit mitbringt, kann auf der von uns vorgeschlagenen Route im Herzen des Rosengartens, am Fuße der Vajolet-Türme auf 2.243 m Höhe, übernachten. Wache bei Sonnenaufgang auf, um das Alpenglühen zu bewundern, und setze dann die Wanderung zu den Hütten des Rosengartens fort: Vajolet-Hütte, Prinzen-Pass-Hütte und Antermoia-Hütte.
So wirst du viele weitere Geschichten entdecken, die vom Leben in den Bergen, von Familien, von harter Arbeit, von Heldentaten und von einer tiefen und aufrichtigen Liebe zu diesen Orten handeln.
Bergsteigen ist seit 2019 ein immaterielles Kulturerbe der Menschheit der UNESCO. Eine Anerkennung, die die sozialen und kulturellen Aspekte der Bergsteigerpraxis sowie den internationalen Geist hervorhebt, der sie seit jeher auszeichnet.