Lisa und Gabriele, der Ruf der Berge

Zwei Skibergsteiger-Geschichten, die von einem immer beliebter werdenden Sport erzählen

 

Lisa: der Geist der Eroberung

Lisa Moreschini ist zwanzig Jahre alt und in Pejo aufgewachsen, einem Tal, das zwischen den hohen Bergen des Naturparks Stilfserjoch eingeschlossen ist, wo man sich entscheiden muss: auf den Gipfel hinauf oder ins Tal hinab steigen. Sie hat sich für den Aufstieg entschieden. Natürlich an den heimischen Hängen des Monte Vioz, 2.000 Meter höher, wo ein Onkel die Mantova-Hütte betreibt: ein perfektes natürliches Trainingsfeld.

Zu Beginn war das Skitourengehen ein Hobby: „In unserer Familie machen das alle“, erzählt sie. Aber als sie zum ersten Rennen angemeldet wurde, das auch von dem Onkel organisiert wurde, stand sie sofort auf der obersten Stufe des Siegertreppchens, und jetzt nimmt sie an Weltcup-Rennen teil.

Die Anstrengung des Aufstiegs, aber auch die Emotion bei der Abfahrt. Am Skibergsteigen schätzt Lisa absolut alles, aber ganz besonders, dass man in unberührte Natur eintaucht, und den Geist der Eroberung: „Einen Gebirgspass zu überwinden oder einen Gipfel zu erreichen, das motiviert dich ungemein.“

Nachdem sie in die italienische Nationalmannschaft aufgenommen wurde, hat sie alle Hänge der Alpen befahren, aber die heimischen Hänge, in der Ortler-Cevedale-Gruppe, sind ihr stets im Herzen geblieben: „Sehr hohe Gipfel, wo das Skitourengehen im Frühling praktiziert wird, von meinem Dorf aus können wir uns Ski anschnallen und bis auf fast 3.600 Meter hochsteigen. Es ist ein nachhaltiger Sport, er braucht keine Infrastruktur, du kannst die Stirnlampe anmachen und auch abends trainieren: weite Naturräume, eine große Freiheit“.

Skitourengeschichten: Lisa Moreschini und Gabriele Leonardi

Gabriele: der technische Einsatz bei der Abfahrt

In der Familie liegt das Skibergsteigen auch bei Gabriele Leonardi, 24 Jahre und aus Caderzone im Val Rendena, der seine ersten Aufstiege als Kind mit dem Vater bewältigte. Dieser betrieb die Berghütte San Giuliano im Naturpark Adamello und leitet jetzt zusammen mit den anderen Familienmitgliedern die Brentei-Hütte im Herzen der Brenta-Dolomiten.

Wenn man in so eine Familie hinein geboren wird, ist der Ruf des Berges wie ein Befehl. Den Fußballfeldern im Tal, aber auch den Langlaufski- und Alpin-Ski-Pisten hat Leonardi das Hochgebirge vorgezogen: „Ein Gebiet, in dem man sich mit den eigenen Fähigkeiten misst und nur auf sich selbst zählen kann“, erzählt er.

Nun nimmt er am Pokalwettbewerb Coppa Italia teil: „In der Welt des Skibergsteigens habe ich ein unverfälschtes Umfeld und gesunden Kampfgeist gefunden, in dem Rivalität und Ehrgeiz die menschlichen Beziehungen noch nicht verdorben haben, so wie es in den Bergen sein sollte. Ein Ausdauersport, bei dem der Erfolg das Ergebnis des persönlichen Einsatzes und der eigenen Fähigkeiten ist.“ Genau wie im Leben.

Und auch für ihn ist die Umwelt besonders wichtig: „Skibergsteigen ist Erkundung, wir trainieren immer wieder woanders, erreichen neue Orte, in einem Gebiet, das sich entsprechend den Jahreszeiten verändert und in dem Anstrengung keine Belastung ist. Sie wird vielmehr zu einem Vergnügen, genau wie das große befriedigende Gefühl, im Ziel anzukommen.“

Wiewohl es beim Aufstieg um das Vergnügen der Eroberung geht, so ist Gabriele Leonardi dennoch der technische Einsatz bei der Abfahrt wichtiger: „Auch deshalb, weil ich ganz gut darin bin…“, meint er lächelnd, denn er ist Botschafter eines Sports, der immer mehr in Mode kommt und der 2026 bei den Winterspielen von Mailand und Cortina olympische Disziplin wird.

„Die Lust auf Kontakt mit der Natur wird immer größer, erklärt er, ohne Zeitvorgaben, ohne Hektik, einfach nur mit einem Paar Ski an den Füßen.“ Und einen Gebirgsmenschen wie ihn braucht man nicht nach seinen Lieblingshängen zu fragen, denn nachdem er in der ganzen Welt Ski gelaufen ist, kehrt das Herz stets zu den heimischen Gipfeln zurück, zum Brenta und zum Adamello, wo sich die Berghütten seiner Familie befinden.

Grostè - Cima Roma - Sci Alpinismo  | © Thomas Griesbeck

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Veröffentlicht am 18/11/2021