Maddalena Zanoni

Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut

Maddalena Zanoni kann mit 30 Jahren ein abgeschlossenes Studium an der Bocconi-Universität, einen Master in Internationalem Management und eine brillante Karriere vorweisen, die in Mailand begonnen hat und aufgrund der sie weltweit zwischen Flughäfen und Sternehotels unterwegs ist. Fünf Jahre später lebt sie in ihrem Geburtsort im Val di Non, wo sie die Essenz von Blumen und Bergkräutern erforscht und davon über ALM Botanicals erzählt, der Gemeinschaft, die sie gegründet hat, um weiter nach dem Essentiellen zu suchen. Ausgehend von der Natur.

Auch in ihrem zweiten Leben wacht Maddalena sehr früh auf, aber ihr Tag wird mit Yoga und Meditation mit Blick auf die Berge begonnen. Sobald ALM in Ordnung gebracht ist, geht sie auf die Tres-Alm zu Adele Eccheli, die Kräuterspezialistin, die Heilkräuter anbaut und sich um die Meisterklasse für Alpenbotanik kümmert.

Geschichten aus dem Trentino: Maddalena Zanoni

Wann hast du genau beschlossen, Mailand zu verlassen und in die Berge zurückzukehren?

Die Entscheidung habe ich getroffen, als ich in Belgien lebte, dem sechsten Land, in das ich übersiedelt war. Ich liebe das Reisen und ich glaube, dass alle es einmal ausprobieren sollten, in einem neuen Land ganz von vorne anzufangen, um sich selbst wirklich kennenzulernen und daran zu wachsen. Aber nach all diesem Herumreisen habe ich begonnen, mich zu fragen was eigentlich meine Essenz ist - was hinter meinem Lebenslauf und meiner Karriere steckt.

Auf der Suche nach der Antwort habe ich mir zwei Monate Urlaub von der Arbeit genommen, mich ins Val di Non aufgemacht, aus dem meine gesamte Familie stammt, und bin von der Sfruz- und Smarano-Alm, wo ich half, die Ziegen zu betreuen, zum Haus von Großmutter Anna losgezogen.

Was hast du verloren und was hast du gewonnen, seitdem du dein Leben geändert hast?

Ich habe den Lärm verloren und einen neuen Sinn gewonnen. Ich habe gelernt, dass man nicht viel braucht, um glücklich zu sein, im Gegenteil, es ist besser, sich des Überbaus zu entledigen, um die Dinge klar zu sehen. Um zu verstehen, wer wir sind und was wir mit der Zeit auf diesem Planeten anfangen wollen.

 

Der schwierigste Moment?

Der erste Schritt ist immer der schwierigste, man verzichtet auf das bereits Bekannte für das Unbekannte, auf den bequemen, bereits vorgegebenen Weg für den, den man alleine erkunden muss. Jenen, auf dem man sich verirrt und mit dem oft die Menschen seiner Umgebung nicht immer einverstanden sind.

 

Und der spannendste?

Davon gab es viele. Der erste, als ich den Zauber der Bergheilkräuter entdeckt habe: Ihr Leben ist bei diesen schwierigen Wetterbedingungen kurz. Und gerade deshalb sind sie intensiver und weisen eine höhere Konzentration an Sekundärmetaboliten auf, durch die sie stärker werden. Sie sind der höchste Ausdruck ihrer selbst, was wir meiner Meinung nach auch tun sollten.

Der zweite, als mich meine Freunde auf der Tres-Alm aus Spanien, Belgien, der Schweiz und Mexiko besucht haben, um mich bei diesem kleinen Wahnsinn zu begleiten und mich zu unterstützen. Ich habe diesen Moment als einen der glücklichsten meines Lebens in Erinnerung.

Geschichten aus dem Trentino: Maddalena Zanoni

Für welchen Grund wachst du jetzt jeden Morgen auf? Und früher?

Naja, ich möchte nicht vom Leben gelebt werden. Das Leben möchte ich leben, auswählen, vorantreiben. Genau so wie es die Hochgebirgsblumen machen. Ich glaube, wir sollten wie sie leben, indem wir nach dem höchsten Ausdruck unserer selbst streben, uns mit Menschen umgeben, die uns bei dieser Reise helfen.

Mit dieser Energie wache ich jetzt auf, früher war ich von jeder Reise und Arbeit sehr begeistert. Vielleicht war ich aber mehr auf die Geschwindigkeit als auf die Richtung konzentriert.

 

Deine Lieblingsbergblume?

Die Ringelblume ist sicherlich aufgrund ihrer so auffälligen Farbe und ihrer wohltuenden Eigenschaften ganz besonders ikonisch. Aber am liebsten habe ich wahrscheinlich die Schafgarbe: Sie ist die bescheidenste und unauffälligste, kann aber auch auf sehr kargem, trockenen Boden wachsen und begleitet den Wanderer am Rand von steinigen Bergpfaden. Genau jenen Pfaden, die für die Erkunder weder bequem noch markiert, aber oft unwegsam sind.

 

Wonach suchen die Menschen, an die du dich wendest?

Der Grund für unsere Existenz als ALM besteht darin, das Paradigma von der Anhäufung hin zur Konzentration zu ändern, indem wieder von der Kraft der Natur ausgegangen wird, um jedes Mal aufs Neue die Magie des Planeten, auf dem wir leben, neu zu entdecken.

Ich glaube, dass diese Jahre der Pandemie den Menschen, die lange Zeit, vielleicht sogar einsam und fern der Natur zu Hause bleiben mussten, große Probleme geschaffen haben. Ich stelle mir gerne vor, diesen Menschen von uns in den Bergen gesammelte Pflanzen nach Hause zu schicken, um ihnen ein bisschen zu helfen.

 

Was ist für dich die Freiheit?

Ich will mir vorstellen, dass es keine falschen Wege gibt, sondern nur Wege, die zu erkunden sind. Und dass der einzige Fehler ist, sich nicht auf den Weg zu machen. Und dass es weder Titel noch Berufsbilder gibt, sondern nur die Lust, zu kreieren und sich auszudehnen.

Ich will nicht nur arbeiten, ich will meinen Träumen folgen und sie mit Menschen teilen, die die gleiche Lebenslust haben, andere mit Energie anstecken und mich anstecken lassen. Und während wir uns überlegen, welche Spur wir hinterlassen möchten, sind wir froh, unsere Begeisterung zu teilen.

Schließlich ist dieser Moment die einzige Sicherheit. Und diesen voll auszuleben, ist für mich Freiheit.  Es heißt, 'das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut'.

Wie sehr hat die Tatsache, dass du in den Bergen geboren bist, deine Wahl beeinflusst?

Eine sehr schwierige Frage. Meine Wahl war es, wieder nach mir selbst zu suchen. Die Almen und Berge sind für mich Sinnbild der Essentialität und daher sind sie auf dieser Reise für mich sicherlich eine Ikone. Aber jeder kann seinen – körperlichen oder geistigen – Raum suchen, in dem jedem freisteht, sich zu bewähren. Frei, nicht auf alles eine Antwort zu haben, frei, einen Weg auszuprobieren und Fehler zu machen, denn, wie schon Einstein sagte ‘Wer noch nie einen Fehler gemacht hat, hat sich noch nie an etwas Neuem versucht’.

 

Würdest du alles wieder tun?

Natürlich, ohne den geringsten Zweifel! Natürlich muss in ALM noch investiert werden und es gibt noch viel zu tun. Aber ich bin glücklich, ich habe Spaß auf dieser Entdeckungsreise und hoffe, für diejenigen, die einen Traum haben, ein Ansporn sein zu können, damit sie den ersten Schritt machen. Weil man nur dann versagen kann, wenn man nicht versucht, ihn zu erfüllen.

Natur und Wellness im Trentino

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Veröffentlicht am 28/04/2022